Avertissement von Gesellschaftsspielen von Johann Albrecht Gruner (Dinkelsbühl, 1798-1799)

In alten Zeitungen wurde von manchen Händlern inseriert, welche Produkte sie im Angebot haben. Darunter gibt es auch Listen von Spielen. Obwohl solche Angebotslisten eine interessante Quelle darstellen, gibt es weder Editionen noch Untersuchungen zu ihnen. Größere Bekanntheit hat immerhin der über mehrere Jahre gewachsene, illustrierte Katalog von Georg Hieronimus Bestelmeier erlangt. Ebenso wegweisend wie faszinierend ist die Arbeit von Thomas Stauss (Frühe Spielwelten, 2015), in der erhaltene Exemplare einzelner Spiele mit ihren Katalogeinträgen verknüpft und beschrieben sind.¹

Hier gebe ich eine Liste aus dem Dinkelsbühlischen Intelligenz-Blatt wieder. Im vierten Jahrgang dieser Zeitung, im 52. Stück (Donnerstag, den 27. Dezember 1798) sowie im fünften Jahrgang, im 1. Stück, Donnerstag, den 3. Januar 1799 (Digitalisat bei der Bayerischen Staatsbibliothek und bei Google Books) preist der Dinkelsbühler Buchhändler Johann Albrecht Gruner einige Gesellschaftsspiele und Kalender an. In der Vorlage sind die Produkte im Fließtext aufgeführt; ich habe Umbrüche und eine Nummerierung eingefügt. Die Orthographie habe ich möglichst genau übernommen, dabei folge ich der Ausgabe vom 3. Januar.

Avertissements
Bey Johann Albrecht Gruner allhier sind verschiedene Gattungen Namenbücher mit illuminierten Kupfern, u. Neujahrswünsche, wie auch folgende Gesellschaftsspiele, und Kalender² die mit Kupfern auf 99³ zu haben.

1. Naturhistorisches lat. und deutsches A.B.C. Spiel 1. fl.
2. Neues Bilderlottospiel 24 kr.
3. Deutsches Buchstabenmagazin 24 kr.
4. Ebendaselbe lat. franz. und italienisch 24 kr.
5. Neues Buchstaben und Wörterlottospiel 36 kr.
6. Daselbe französisch 36 kr.
7. Deut. lat. franz. u. ital. Buchstaben Würfelspiel. 30 kr.
8. Das Chaos oder die Wortfügung 24 kr.
9. Neues Charadenspiel 36 kr.
10. Magischer Correspondenzspiegel 36 kr.
11. Deutschland oder der reisende Kaufmann 36 kr.
12. Neues Farben oder Dominospiel 24 kr.
13. Frag und Antwortspiel 30 kr.
14. Magisches Frag und Räthselspiel 18 kr.
15. Geomantisches Orakel 24 kr.
16. Geometrisches Quadratspiel 24 kr.
17. Neues Gesellschaftslottospiel von 36 Zahlenblättern 45 kr.
18. Der Jahrmarkt 24 kr.
19. Neue Klassenlotterie 45 kr.
20. Das Koffeeschaalengießen 30 kr.
21. Neues Lotteriespiel 24 kr.
22. Pandora, ein neues Würfel- und Gesellschaftsspiel 36 kr.
23. Prognostikationskarte 24 kr.
24. Der kleine Rechenmeister 24 kr.
25. Neues Räthsel und Pfänderspiel 36 kr.
26. Revolutions, oder mathematisches Dreiekspiel 36 kr.
27. Neues Scherz und Visitenspiel 24 kr.
28. Die Schnupftabakdose 24 kr.
29. Geheimnißvolles Sentenzenspiel 18 kr.
30. Das Spiel der Hofnung 30 kr.
31. Die Stirnwahrsagerkunst 24 kr.
32. Thalia die schöne Wahrsagerinn 24 kr.
33. Magisches Traumorakel 24 kr.
34. Astrologische Traumtabell 15 kr.
35. Arimetisch kabalistischer Wahrsager 24 kr.
36. Zwei neue Wahrsagerspiel 36 kr.
37. Magische Zahlenquadrate 18 kr.
38. Zigeunerkart, oder die Wahrsagerkunst aus der Hand 36 kr.
39. Augsburger deutsch. und französische Kalender, enthält die Schicksale Schwabens im spanischen Erbfolgekrieg 1 fl. 36 kr.
40. Berliner Taschenbuch 2 fl. 24 kr.
41. Bouwieghausens⁴ Taschenkalender für Pferdliebhaber 1 fl. 36 kr.
42. Kölnisches Taschenbuch oder Ubiens Musentafel 2 fl.
43. Taschenkalender für Natur, und Gartenfreunde 2 fl. 24 kr.
44. Göttinger Taschenkalender 1 fl. 12. kr.
45. Langs Taschenbuch für häusliche und gesellschaftliche Freuden 2 fl. 45 kr.
46. Taschenbuch für Frauenzimmer von Bildung 2 fl. 15 kr.
47. Stuttgardter Almanach 2 fl. 24 kr.
48. Wiener Taschenkalender 1 fl.
49. Kleiner Offenbacher deutsch. und franz. 36 kr.
50. Kleiner Frankfurther 36 kr
51. Kleiner Augsburger 18 kr.

Von den 51 Einträgen sind 38 Spiele oder Ähnliches, die restlichen 13 Nummern sind Kalender und Almanache. Wie oben erwähnt stammt die Nummerierung von mir, um den Bezug auf einzelne Titel zu erleichtern. Manche der Spiele lassen sich kategorisieren. So fällt beispielsweise die Gruppe der Lottospiele auf (Nummern 2, 5, 6, 17, 19, 21). Wie mit solchen Lotterien gespielt wurde, beschreibt Thomas Stauss anhand des Neuen Lotterie-Kartenspiels (S. 374-375).

Einige der angebotenen Produkte sollen spielerisch den Umgang mit dem ABC oder mit Zahlen fördern. Die Buchstabenmagazine (Nr. 3 und 4 “Deutsches Buchstabenmagazin” und lat./frz. Ausgaben) entsprechen vermutlich dem bei Stauss gezeigten “Neuen deutschen Buchstabenmagazin” (S. 344-345).

Nr. 26, das Revolutions- oder Dreieckspiel, ist ebenfalls erhalten (Stauss, S. 384-385). Es handelt sich um ein Puzzlespiel, bei dem auch Regeln für das Spielen in einer Gruppe angegeben sind.

Nr. 36 “Zwei neue Wahrsagerspiel” beschreibt Stauss auf S. 366-367. Er gibt als Hersteller dieses Spiels sowie der oben genannten Buchstabenmagazine Gustav Philipp Jakob Bieling aus Nürnberg an.

Nr. 22 (Pandora) und Nr. 30 (das Spiel der Hoffnung) sind sehr wahrscheinlich die Spiele von Johann Kaspar Hechtel (Eintrag bei Wikipedia). Zum Spiel der Hoffnung gibt es eine Monographie (Glück, Alexander. Das Spiel der Hoffnung. Ursprung und Entwicklung der Lenormand-Karten. Königsfurt-Urania, 2017). Es handelt sich um einem Vorläufer der Lenormand-Karten, die zum Wahrsagen dienen.

Johann Albrecht Gruner

Zu Gruners Biographie kann ich nur wenig beitragen. Am 1. März 1798 wurde sein Sohn auf die Namen Georg Wilhelm Karl getauft (inseriert am 8. März 1798). Johann Albrecht Gruner wird dort als B. (Bürger der Stadt) und Buchbindermeister bezeichnet. Die Taufe war evangelisch. Gruner selbst könnte also in den 1770ern geboren sein. Im Nürnbergischen Kinderalmanach (Taschenbuch für Kinder und Kinderfreunde) auf das Jahr 1782 gibt es einen Geburtstagskalender, zu dem Namen eingesandt werden konnten. Sowohl für den 7. Februar als auch für den 28. Juni ist ein Johann Albrecht Gruner aus Oettingen eingetragen. Oettingen ist nur etwa 25 km von Dinkelsbühl entfernt; einer der beiden Einträge könnte sich auf den späteren Buchbindermeister beziehen. Falls seine Eltern ihm mit dem Eintrag seines Geburtstags im Kinderalmanach eine Freude machen wollten, dann dürfte Johann Albrecht 1782 wohl im lesefähigen Alter gewesen sein.

Die oben wiedergegebene Liste von Spielen und Kalendern ist nicht die einzige Anzeige von Joh. Albr. Gruner im Dinkelsbühlischen Intelligenzblatt. Die aktuell verfügbaren Digitalisate beginnen mit dem letzten Quartal des Jahres 1797 und enden mit der letzten Ausgabe von 1799.⁵ In diesem Zeitraum ist Gruner immer wieder mit Avertissements präsent. Am 21. Dezember 1797 findet sich eine Anzeige der bei ihm erhältlichen Kalender, die in der nächsten Ausgabe (28. Dezember 1797) wiederholt wird. Ein Avertissement vom 28. Juni 1798 preist diverse Lehr- bzw. Sachbücher und Ratgeber an; außerdem Damenhüte (“feine weise Sommerhüthe von Bast für Frauenzimmer”). Diese Anzeige erschien auch in den Wochen zuvor, am 14. Juni 1798 und am 21. Juni 1798. Am 19. Juli 1798 druckt das Dinkelsbühlische Intelligenzblatt die Ankündigung einer Schrift “Apostrophen an den Genius des scheidenden Jahrhunderts”, die von J. Schmidt in Esslingen verlegt wird. Gruner nimmt “Supscription” (sic) auf diese Schrift an, also namentliche Vorbestellungen. Der wird Aufruf in verkürzter Form wiederholt am 26. Juli 1798.

Am 9. Mai 1799 beschreibt das zweite Avertissement dieser Ausgabe, dass ein bestimmtes Haus in Stuttgart über die Hessen-Darmstädtische Klassenlotterie “herausgespielt”, also verlost wird, und dass Lose dafür bei Gruner zu kaufen sind. In der nächsten Ausgabe (16. Mai 1799) wird die Anzeige wiederholt. Am 12. Dezember und 19. Dezember 1799 listet Gruner verschiedene Kalender, Werke für Kinder u.a.m. auf, summarisch weist er auch hin auf “[v]iele Gattungen unterhaltender Spiele zu verschiedenen Preisen”.

Spiele blieben also eine Einkommensquelle für den Buchbindermeister und Buchhändler. Da sie besonders zum Jahreswechsel in Anzeigen erwähnt werden, liegt es nahe, zu vermuten, dass sie besonders um Weihnachten und Neujahr herum Absatz fanden – vielleicht auch, dass zu dieser Jahreszeit etwas mehr gespielt wurde als sonst. Um das zu erhärten, müssten andere Quellen hinzugezogen werden. Das ginge aber deutlich über das selbstgesteckte Ziel dieses kurzen Beitrags hinaus.

Das Wikidata-Objekt dieses Blogbeitrags ist Q130427399.

1. Thomas Stauss: Frühe Spielwelten zur Belehrung und Unterhaltung. Die Spielwarenkataloge von Peter Friedrich Catel (1747-1791) und Georg Hieronimus Bestelmeier (1764-1829). Hochwald (Schweiz): Librum 2015. [↩]
2. am 27.12.1798 steht hier “Karten” [↩]
3. = auf das Jahr 1799 (Jonas Richter). [↩]
4. sic, l. Bouwing- [↩]
5. Die Zeitung erschien auch davor und danach, vgl. Gerfrid Arnold: Dinkelsbühl Geschichte light, 2020, S. 110. [↩]

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